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Familienpsychologische Gutachten

Familienpsychologische Gutachten ungeeignetes Beweismittel?

Betreffend des Polygrafen hat der Bundesgerichtshof entschieden, dieser soll (in Strafsachen) ein völlig ungeeignetes Beweismittel sein. Doch sind familienpsychologische Gutachten ungeeignete Beweismittel? Wir blicken auf die Datenlage.

Polygrafen-Trefferquote als Referenz der Nichteignung

Dem widersetzt sich das Amtsgericht Schwäbisch-Hall mit überzeugenden Argumenten:

„Wegen der hohen Trefferquote hatte Schwabe (NJW 1982, 367) bereits 1982 die Entscheidung eines Vorprüfungsausschusses des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 18.08.1981 –2 BvR 166/81 -, NJW 1982, 375) kritisiert und von einer „brüchigen Logik“ gesprochen. Denn wenn ein Beweismittel mit einer Treffergenauigkeit von 90 % nicht ausreiche, so müsste man folglich allen Beweismitteln, deren Treffergenauigkeit sich nicht über die 90 %-Marke erhebt, ihren Beweiswert absprechen und als völlig ungeeignetes Beweismittel einstufen. Letztendlich ist in der Gerichtspraxis bekannt, dass der Zeugenbeweis hinsichtlich der Trefferquote „Lüge“ oder „Irrtum“ besonders unzuverlässig ist. Dennoch gehört die Zeugenvernehmung zu dem Beweismittel, welches in der gerichtlichen Praxis am häufigsten erhoben wird. Würden entsprechende Anforderungen hinsichtlich der Treffergenauigkeit auch an andere Beweismittel gestellt werden, bliebe letztendlich wohl nur das DNA-Abstammungsgutachten mit 99,9 %-Trefferquote als geeignetes Beweismittel für die Gerichtspraxis übrig.“

zitiert nach AG Schwäbisch-Hall 2 F 150/20

Polygraf ist zu 70-90% zuverlässig

Makepeace, Der Polygraf als Entlastungsbeweis 2023, S. 89

Je nach Untersuchung soll der Polygraf zwischen 70 und 90% Zuverlässigkeit erreichen:

„Gegen die damals mitgeteilten Trefferquoten – immerhin von 70 bis 90 Prozent – hatte der Bundesgerichtshof aber derart tiefgreifende Bedenken, dass er der Vergleichsfragenmethode eine selbst minimale indizielle Bedeutung absprach (vgl. BGH St 44, 308, 322f.)“

zitiert nach Makepeace, Der Polygraf als Entlastungsbeweis 2023, S. 89

Daran anknüpfend stellt sich die Frage, welche Trefferquote andere Beweismittel haben.

Trefferquote Aussagepsychologisches Gutachten

Auch bei der Aussagepsychologie gab und gibt es erhebliche Validitätsprobleme:

„Diese Begründung überrascht, wenn man sich an die Worte desselben Senats zur Zuverlässigkeit und Geeignetheit der aussagepsychologischen Glaubhaftigkeitsbegutachtung erinnert. Denn dort sprachen und sprechen ihm zufolge weder die bescheidene Befundlage zur Bestätigung der Undeutsch-Hypothese – zur Erinnerung: „Zwar handelt es sich um Indikatoren mit jeweils für sich genommen nur geringer Validität, d.h. mit durchschnittlich nur wenig über dem Zufallsniveau liegender Bedeutung“ – noch die teilweise nicht unerheblichen Fehlerspannen und der nur limitierte Beweiswert gegen die Zulässigkeit und tagtägliche Anwendung (vgl. BGHSt. 45, 164, 171)“

zitiert nach Makepeace, Der Polygraf als Entlastungsbeweis 2023, S. 90

Deshalb hatte sich Steller auch ausgesprochen, die psycho-physiologische Aussagebegutachtung (=Polygrafen) als Ergänzung zur Aussagepsychologie, nicht als Konkurrenz zu sehen:

„Steller plädierte in seiner Habilitationsschrift bereits 1987 dafür, den Polygrafen nicht als konkurrierendes, sondern als die Aussagenanalyse ergänzendes Mittel in Betracht zu ziehen.“

zitiert nach Makepeace, Der Polygraf als Entlastungsbeweis 2023, S. 172

Makepeace zitiert hier diverse Studien, die zu einem Ergebnis von 88% subjektiv wahr und 70,5% bewusst unwahr kommen (Akehurst, Matnon und Quandte nach Makepeace, Der Polygraf als Entlastungsbeweis 2023, S. 66) bzw. 85% subjektiv wahr und 50% bewusst wahrheitswidrig (Welle et al aaO) – wobei in letzterer Studie sogar Ergebnisse unterhalb des Zufallswertes erreicht wurden.

Aussagepsychologie ist zu 81% zuverlässig

Makepeace, Der Polygraf als Entlastungsbeweis 2023, S. 172

Andere Studien gehen von Werten von 44 % bis 91 % subjektiv wahr und 35% bis 100% bewusst wahrheitswidrig aus (Makepeace aaO S. 67).

Makepeace relativiert diese Ergebnisse und stellt daher vor allem auf Vrij ab, der in einer Meta-Analyse zu 81% subjektiv wahr und 57,75 % bewusst wahrheitswidrig kommt (aaO S. 68).

Beweiswürdigung durch Fachpersonen

Ein anderes Element der Wahrheitsfindung ist die Beweiswürdigung und damit die Aussagebeurteilung durch Richter, Polizisten und Staatsanwälte:

„So ergab eine Meta-Studie aus dem Jahr 2008, dass professionelle Aussagebeurteiler wie Polizeibeamte, Staatsanwälte und Richter Trefferquoten zwischen lediglich 45 und 60 Prozent im Erkennen von Lügen anhand eigener Erfahrung erzielen können. (…) Das entspricht etwa der Zahl, die Bond und DePaulo für nicht-professionelle Aussagebeurteiler ermitteln konnten. Der für Vrij nennenswerte Unterschied zwischen Fachleuten und Laien: Erstere neigen dazu, sich maßlos zu überschätzen.“

zitiert nach Makepeace, Der Polygraf als Entlastungsbeweis 2023, S. 177

Richter und Staatsanwälte erkennen zu 45-60% eine Lüge bzw. die Wahrheit

Makepeace, Der Polygraf als Entlastungsbeweis 2023, S. 177

Die Wahrscheinlichkeit, richtig zu raten, das muss an dieser Stelle erwähnt sein, liegt bei 50%.

Fehlerhaftigkeit von Familienpsychologischen Gutachten

Familienpsychologische Gutachten sind je nach Studie mal mehr, mal weniger verwertbar. Natürlich kann man die Fehlerhaftigkeit statistisch nicht gleichsetzen mit der falsch-positiven oder falsch-negativen Bewertung von Polygrafen- oder Aussagepsychologischen Gutachten. Doch für einen groben Vergleich mag es ausreichen:

Nach Leitner sind Familienrechtsgutachten nur zu 21% durchgängig auf aktuelle Erkenntnisse basierend (vgl. Leitner, Erkenntnisse aktueller Studie IB Hochschule 2014), nur zu 5% systematisch in der Verhaltensbeobachtung und nur zu 20% wissenschaftlich spezifiziert in der Gesprächsführung, weshalb er zu dem Ergebnis kommt, dass 25% aller Familiengutachten nicht mangelhaft sind und 75% mangelhaft (vgl. Pressemitteilung Frontal 21).

Als Entscheidungsgrundlage für die Gerichte seien diese mangelhaften Gutachten überhaupt nicht geeignet

zitiert nach Pressemitteilung Frontal 21

Die Studie der Fernuni Hagen von Stürmer und Salewski kommt zu dem Ergebnis, dass nur 59% aller Gutachten methodisch unproblematisch waren und diagnostisch ungenügende Tests eingesetzt wurden.

Zusammengefasst ist festzustellen, dass je nachdem, welche Kri-
terien zugrunde gelegt werden, ein Drittel bis mehr als die Hälfte
der Gutachten fehlerhaft ist.

Stürmer und Salewski, Deutsche Richterzeitung

Selbst Dettenborn, der einen Hype kritisiert und den Berufsstand als solches am Pranger sieht:

„Es ist ein Hype im Gange, der unserer Arbeit nicht gerecht wird“, sagt Rechtspsychologe Harry Dettenborn, bis 2004 Inhaber eines
Lehrstuhls an der Humboldt-Universität zu Berlin. „Von Einzelfällen wird auf den ganzen Berufsstand geschlossen.“ Doch sogar er schätzt, dass jedes zehnte Gutachten schlecht sein dürfte.

Amann und Neukirch in Spiegel 2015

Doch auch er kommt zu dem Ergebnis, dass „nur“ 90% der Gutachten mangelfrei sein dürften.

Konklusion

Nimmt man die Maßstäbe des BGH an den Polygrafen heran, dann reichen 90% Qualität nicht aus:

Anderes ergibt sich auch nicht aus den Berichten über hohe „Trefferquoten“ (bis zu 98,5 %) bei der Durchführung von Studien. In der Wissenschaft besteht weitgehend Einigkeit, daß sich die in experimentellen Untersuchungen (Labor- und Analogstudien) erzielten Ergebnisse von vornherein nicht auf die gerichtliche Praxis übertragen lassen, weil die Testbedingungen der Wirklichkeit eben nicht entsprechen.

zitiert nach BGH PM 96/98

Zutreffend hatte Schwab (siehe oben) kritisiert, dass wenn man nur 99,9% richtige Gutachten und Beweismittel zulassen möchte, dass dann nur DNA-Abstammungsgutachten in Betracht kommen.

Zuverlässigkeit unterschiedlicher Beweismittel

BeweismittelZuverlässigkeit
Aussageanalytisches Gutachten81%
Aussagewürdigung Gericht45-60%
Polygraf70-90%
Münze werfen50%
Familienpsychologische Gutachten75-90%
Auswertung dieses Artikels, Quellen siehe oben

Damit sind also letztlich alle Methoden ungeeignete Beweismittel im Sinne der Logik des BGH.

„Nimmt man das Argument der Bundesrichter für voll, die polygrafengestützte Glaubwürdigkeitsbegutachtung sei als Beweismittel völlig ungeeignet, da es sich bei ihr nicht um eine in den maßgebenden Fachkreisen allgemein und zweifelsfrei als richtig und zuverlässig eingestufte Methode handle, muss konsequenterweise die aussagepsychologische Glaubhaftigkeitsbegutachtung ebenso ein ungeeignetes Beweismittel sein. Auch diese ist in den maßgebenden Fachkreisen alles andere als unumstritten (…)“

zitiert nach Makepeace, Der Polygraf als Entlastungsbeweis 2023, S. 90

Diesen Zahlen folgend kommt man nur zur Richtigkeit der Argumentation des AG Schwäbisch-Hall:

„Dabei verpflichtet der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 26 FamFG die Familiengerichte in Kindschaftsverfahren im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens alle zur Aufklärung des Sachverhalts dienlichen Ermittlungen anzustellen. In besonderer Weise ist das Familiengericht gehalten, die vorhandenen Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen und auf diese Weise nach Möglichkeit zu vermeiden, dass sich die Grundsätze der Feststellungslast zu Lasten des Kindes auswirken (BGH, Beschluss vom 17.02.2010 – XII ZB 68/09 -, NJW 2010, 1351 (1353)). Dies ist letztendlich der entscheidende Aspekt, warum der Polygraph im familiengerichtlichen Verfahren zuzulassen ist, da er – ungeachtet des Meinungsstreits – die Wahrscheinlichkeit zum Wohl des Kindes erhöht, dass das Familiengericht weder in Bezug auf den Kindeswohlaspekt 1 noch in Bezug den Kindeswohlaspekt 2 eine Fehlentscheidung trifft. Denn das Familiengericht trifft letztendlich in derartigen Fällen Entscheidungen, die das Leben eines minderjährigen Kindes betreffen und entscheidende „Weichen“ für die Zukunft dieses jungen Menschen stellen.“

zitiert nach AG Schwäbisch-Hall, Beschluss vom 25.10.2021 – 2 F 150/20

Entweder sind alle Beweismöglichkeiten auszuschöpfen oder keines, weil keines für sich alleine genommen die notwendige klare Datenlage für sich beanspruchen kann.

„Tritt zum Beispiel beim Zeugen neben das negative Ergebnis einer aussagepsychologischen Begutachtung ein positives Ergebnis einer polygrafengestützten Begutachtung – zeigen also beide Methoden unabhängig voneinander auf die Tatsache einer bewusst wahrheitswidrigen Aussage -, muss sich (denk-)logischerweise die Wahrscheinlichkeit insgesamt erhöhen, dass die Aussage tatsächlich erfunden und der Beschuldigte unschuldig ist. Von der Erhöhung einer solchen Gesamtwahrscheinlichkeit geht selbst die Rechtsprechung aus, obgleich sie nicht ausdrücklich von einem Beweisring oder der Bayes-Regel spricht (vgl. BGH ST. 38, 320, 324)“

zitiert nach Makepeace, Der Polygraf als Entlastungsbeweis 2023, S. 172

Ergebnis: Familienpsychologisches Gutachten alleine ist ein ungeeignetes Beweismittel

Dies gilt also auch für das familienpsychologische Gutachten, das gem. BGH XII ZB 68/09 sowieso nicht auf ungeprüften Anknüpfungstatsachen basieren darf, auch für das Aussagepsychologische Gutachten oder den Polygrafen. Alle, insbesondere aber die Ermitttlungsarbeit des Gerichts, sollten als gegenseitige Ergänzung gesehen werden.

Sonst muss man von familienpsychologischen Gutachten leider auch als ungeeignete Beweismittel im Sinne der Rechtsprechung des BGH betrachten, weil die Befundlage zu dünn ist. Familienpsychologische Gutachten sind für sich alleine genommen kein geeignetes Beweismittel.

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Nur Rechtspsychologen als Gutachter?

Die Fragestellung, ob nur Rechtspsychologen als Gutachter in Frage kommen, ist relativ alt. Das Gesetz unterscheidet in §163 FamFG nicht zwischen Diplom-Psychologen, Bachelor-Psychologen., Master-Psychologen, sondern benennt nur einen psychologischen Berufsabschluss als Voraussetzung.

Salewski und Stürmer kamen bereits 2014 in der Studie der Fernuni Hagen, finanziert durch das Bundesland NRW, zu dem Ergebnis, dass Rechtspsychologen die besseren Gutachten abliefern:

„Tatsächlich legen Ergebnisse unserer Studie nahe, dass Gutachten zertifizierter Rechtspsychologen qualitativ besser waren als andere Gutachten“

zitiert nach Salewski und Stürmer, Deutsche Richterzeitung 2014, S. 282, 283

Jopt und Behrend haben diese Auffassung protestiert:

„Das betrifft insbesondere die bar jeder wissenschaftlich gebotenen Zurückhaltung formulierten Folgerungen der Autoren in Bezug auf die Qualifikationsanforderungen an Sachverständige im Familienrecht. Nicht nur ihr Schluss von der „nachweislich höhere(n) Qualität“ solcher Expertisen, die von Rechtspsychologen erstellt wurden, auf deren herausragende Qualifikation für familienge-
richtliche Begutachtung ist unzulässig. Hier handelt es sich um ein methodisches Artefakt, da der Beweis für die Überlegenheit der von ihnen vertretenen Begutachtungsmethodik für das Kindeswohl bisher nicht erbracht wurde. „

zitiert nach Jopt und Behrend, Fehlerhafte Gutachten im Familienrecht – Stellungnahme des FSLS

Der BDP fordere durch Köhler bereits in der Vergangenheit, dass nur die Rechtspsychologen (nach den Richtlinien des BDP!) als Gutachter in Betracht kommen sollen:

„Nur Diplom Psychologen und Psychologen mit einem Masterabschluss sind kompetent, als psychologische Sachverständige zu arbeiten. Der BDP fordert, dass entsprechend nur Psychologen als Sachverständige für die Beantwortung von psychologischen Fragestellungen im Rechtssystem beauftragt werden.“

zitiert nach Köhler, Stellungnahme zum FAZ-Artikel vom 12.11.2012 und
Positionspapier zur Qualifikation von psychologischen
Sachverständigen im Bereich der Rechtspsychologie

Meiner Auffassung nach sind Gutachten von Rechtspsychologen wissenschaftlicher, nachvollziehbarer und besser – nicht zwingend aber fehlerfrei

Michael Langhans, Volljurist

Der Gesetzgeber hat diesen Fakt bisher unberücksichtigt gelassen.

Daher bietet Köhler zumindest an, dass die Gutachter die folgenden Qualifikationen nachweisen müssen, was das Gericht zu prüfen hat:

„1. Abschluss als DIPLOM-PSYCHOLOGE oder ein MASTER OF SCIENCE in PSYCHOLOGIE (Urkunde der Hochschule)

  1. Einschlägige und mehrjährige Berufserfahrung in dem in Frage kommenden fachlichen Feld (z.B. Tätigkeit als Psychologe im Strafvollzug)
  2. Einschlägige und regelmäßige Aus- und Fortbildung in Rechtspsychologie (Zertifikate von Ausbildungseinrichtungen, Hochschulen, Universitäten usw.).
    und/oder
  3. Einschlägige wissenschaftliche und fachliche Veröffentlichungen in Fachzeitschriften (!) oder Promotion in Rechtspsychologie
  4. Zusätzliches Zertifikat FACHPSYCHOLOGE für RECHTPSYCHOLOGIE der Deutschen Gesellschaft für Psychologie/Berufsverband Deutscher Psychologen. Eintrag im Register der Fachpsychologen für Rechtspsychologie: www.psychologenakademie.de/register_recht.
  5. Besitzt der psychologische Gutachter zudem einen MASTER-GRAD in RECHTSPSYCHOLOGIE (z.B. Master of Science in Psychology and Law)? Hat der psychologische Gutachter zusätzlich auch eine psychotherapeutische Kompetenz und braucht er die für die gutachterliche Fragestellung?
  6. Zusätzliche Qualifikation eines Psychologen (je nach Fragestellung) mit Weiterbildung zum Sachverständigen der Psychotherapeutenkammern: Approbation zum Psychologischen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten (Vorsicht (!): das können auch Sozialarbeiter/Sozialpädagogen oder Erziehungswissenschaftler sein).
    Auch wenn die aufgeführte „Checkliste“ keinen Anspruch einer qualitativen Einstufung der rechtspsychologischen Qualifikationen erhebt und nur als grobes Kompetenzraster zu verstehen ist, so sollte ein psychologischer Gutachter mindestens die ersten drei Kriterien nachweisen können, um als fachlich qualifizierter psychologischer Sachverständiger bezeichnet werden zu können“
zitiert nach Köhler, Stellungnahme zum FAZ-Artikel vom 12.11.2012 und
Positionspapier zur Qualifikation von psychologischen
Sachverständigen im Bereich der Rechtspsychologie

Auch meiner Auffassung nach sind Gutachten von Rechtspsychologen gefühlt besser, eine eigene statistische Auswertung habe ich bisher nicht vorgenommen. Sie orientieren sich mehr an den Mindestanforderungen, begründen besser, leiten Arbeitshypothesen nachprüfbar hervor und arbeiten im Gros wissenschaftlicher und transparenter.

Die Prüfung ist aber eigentlich eine richterliche Aufgabe, der zu oft nicht nachgekommen wird, obwohl man sich Gutachten nicht ungeprüft zu eigen machen sollte.

Hier setzen meine Hilfen an.

Hilfe erhalten beim erfolgreichen Gutachten anfechten?

Das alles sind für Sie böhmische Dörfer und Sie verstehen nur Bahnhof? Sie wissen aber, dass das Gutachten falsch ist? Dann hier klicken, um eine rechtlich-tatsächliche Prüfung des Gutachtens, der Einhaltung der Gütekriterien und sonstiger Auffälligkeiten zu erhalten:

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Gutachten nicht ungeprüft zu eigen machen

Diese einfache Weisheit, Gutachten nicht ungeprüft zu eigen zu machen, hat der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Prof. Dr. Stefan Heilmann, bereits 2015 im Spiegel im Artikel „Fragwürdige Instrumente“ von Amann und Neukirch zum Besten gegeben:

„Richter dürfen sich Gutachten nicht ungeprüft zu eigen machen“, sagt Stefan Heimann, Familienrichter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main. „Der  Gesetzgeber setzt großes Vertrauen in ihre Urteilskraft, wenn es um die Qualität von Expertisen geht.“

Heilmann in Amann und Neukirch, „Fragwürdige Instrumente“ in Der Spiegel, 2/2015

Richter folgen ihren Gutachtern zu unkritisch

Doch trotzdem kommt es viel zu oft vor, dass Richter „ihren“ Gutachten unkritisch folgen.:

Bereits in den Achtzigerjahren ergab eine Umfrage der Universität Freiburg, dass Familienrichter den Empfehlungen ihrer Sachverständigen meistens einfach folgen. Diesen Trend dürfte ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1999 verstärkt haben. Damals schrieb Karlsruhe den Familienrichtern vor, sie dürften von fachpsychologischen Gutachten nur mit einer eingehenden Begründung und dem „Nachweis eigener Sachkunde“ abweichen.
Gerade diese Sachkunde fehlt jedoch oft, deshalb weichen viele Richter vorsichtshalber gar nicht erst ab.

Amann und Neukirch, „Fragwürdige Instrumente“ in Der Spiegel, 2/2015

Maßgeblich hat sich das OLG Schleswig mit einigen der Fragen der Prüfung im Gutachten auseinandergesetzt:

Auch wenn diese Empfehlungen keine Kriterien im Sinne rechtlich verbindlicher Mindeststandards darstellen, so dienen sie doch der Konkretisierung der in § 163 Abs. 1 FamFG formulierten Anforderungen an die in Kindschaftssachen zu bestellenden Sachverständigen und die zu erstattenden Gutachten und sind nach Auffassung des Senates im Rahmen der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens zu berücksichtigen, da sie eine Arbeitsgrundlage darstellen, die von den beteiligten Experten unter Einbeziehung juristischer und psychologischer Aspekte in Kenntnis der bestehenden Situation im Gutachterwesen erarbeitet wurden.

OLG Schleswig 13 UF 4/20, Rn. 184

Hiernach sind die Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten in Kindschaftssachen faktisch verbindlich.

Qualifikation des Gutachters aktiv prüfen

Die Qualifikation des Gutachters ist aktiv zu prüfen, insbesondere ob dieser den Anforderungen an einen Gutachter genügt:

Aufgrund der Vielfältigkeit und Anforderungen, nicht zuletzt auch aufgrund der möglichen weitreichenden Bedeutung der Empfehlungen der Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren, ist eine besondere Sachkunde notwendig, die auch weit über übliche Studieninhalte der Psychologie und Medizin hinausreicht. Deshalb sind zusätzliche, nachgewiesene, forensische Kenntnisse und Erfahrungen der Sachverständigen notwendig.

OLG Schleswig 13 UF 4/20, Rn. 191

Vorallem müssen auch Rechtskenntnisse vorliegen, die für die Begutachtung relevant sind:

Kenntnisse des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts sind unabdingbar und erfordern eine laufende Fortbildung der Sachverständigen. Zudem müssen sie kontinuierlich über gerichtliche Entscheidungen bzw. gesetzliche Entwicklungen informiert sein, die ihre Tätigkeit berühren.

OLG Schleswig 13 UF 4/20, Rn. 194

Richterliche Prüfungsaufgabe!

All das zu prüfen wäre richterliche Aufgabe. Hierauf sollte man sich nicht verlassen, stattdessen sollte man diese Prüfung aktiv einfordern und das Unterlassen kritisieren.

Dies gilt vorallem auch, sollte nicht aktiv über den Untersuchungsplan und die Fragestellungen vorab durch den Gutachter angemessen aufgeklärt worden sein (vgl. OLG Schleswig 13 UF 4/20, Rn. 272) oder das Gutachten nicht wissenschaftlich und transparent sein:

Das Gebot des wissenschaftlich fundierten Vorgehens, der Transparenz und der Nachvollziehbarkeit ist zu beachten.

OLG Schleswig 13 UF 4/20, Rn. 276

Insoweit dürfen sich das Gericht, aber auch die Anwälte und Parteien, ein solches Gutachten nicht ungeprüft zu eigen machen.

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Psychologische Fragestellungen

Die Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten in Kindschaftssachen halten auf Seite 8 im Punkt 2 c die folgenden Vorgehensweisen für Sachverständige bereit als psychologische Fragestellungen als Kernbestand von familienpsychologischen Sachverständigengutachten:

Psychologische Fragestellungen gem. Mindestanforderungen

c. psychologische Fragestellungen
Kernbestandteil von Begutachtung im kindschaftsrechtlichen Verfahren sind die
Erfassung und Beurteilung
• der familiären Beziehungen und Bindungen;
• der Ressourcen und Risikofaktoren in der Familie;
• der Kompetenzen der Eltern/Sorgeberechtigten, ihrer Erziehungsfähigkeit, Kooperationsbereitschaft, Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme, Bindungstoleranz;
• des Entwicklungsstands, der Bedürfnisse des Kindes, des Kindeswillens, der Kompetenzen und der aktuellen Situation des Kindes, evtl. besonderer Belastungen und Beeinträchtigungen.

Mindestanforderungen

Vorsicht, wenn psychologische Fragestellungen fehlen

Wenn also diese oder ähnliche Fragestellungen nicht bei der Begutachtung auftauchen, insbesondere nicht aus der rechtlichen Fragestellung hergeleitet sind (vgl. Mindestanforderungen, S. 11: „Formulierung psychologischer/klinischer Fragen ausgehend von der gerichtlichen Fragestellung“), dann ist das Gutachten mit Vorsicht zu genießen.

Auch wenn der Gutachter frei in der Wahl seiner Mittel ist, sind die Mindestanforderungen de facto Standard und geben das wissenschaftlich forderbare wieder.

Unverwertbar bei Nichtprüfung psychologischer Fragestellungen

Ein Gutachten, das keines der oben genannten Aspekte beinhaltet und hinterfragt, kann nicht verwertbar sein, weil es nicht wissenschaftlich ist. Es gibt nicht den Status Quo der familienpsychologischen Begutachtung wieder.

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Datenminimierung und Gutachten

Datenminimierung, also die früher Datensparsamkeit genannte Vorsicht beim Erheben von Daten, gilt auch in Gutachten. Vielerorts wird diskutiert, dass Sachverständige nicht oder ohne Einwilligung keine Daten erheben dürfen, insbesondere soweit eine Verweigerung der Zustimmung zur Begutachtung vorliegt.

Oftmals wird hierfür die DSGVO angeführt, die in vielen Teilen die konkrete oder konkludente Einwilligung in die Datenverarbeitung fordert.

Grundsatz: Sachverständiger darf Daten nach DSGVO erheben

Grundsätzlich darf ein Gutachter auch Daten nach DSGVO für sein familienpsychologisches Gutachten erheben. Denn er ist nicht nur berechtigt, sondern einzelgesetzlich zur Begutachtung verpflichtet. 1vgl. §407 ZPO

Grundsätzlich müssen Gutachter in Verfahren das Gutachten erstellen, was sich aus §30 I FamFG i.V.m. §407 ZPO ergibt. Daher liegt ein Rechtfertigungsgrund nach Art. 6 I 1 c. DSGVO vor. 2vgl. Weber in Auswirkungen der DS-GVO für Berufsbetreuer und Sachverständige in Kindschaftssachen in NZFam 2018, 865

Merke: Gutachter dürfen also, selbst wenn man der Begutachtung nicht zustimmt, ein Gutachten erstellen und Daten verarbeiten.

Michael Langhans, Volljurist und Gutachtenskritiker

Alles andere wäre auch widersinnig. Soll ein Mörder der DNA-Verwertung widersprechen können, die ihn überführt?

Aber: Daten sparen wegen Datenminimierung und Gutachten

Gleichwohl dürfen Gutachter nicht gegen das Prinzip der Datenminimierung und Gutachten verstoßen. Danach sind nur solche Daten zu erheben, die für die Erfüllung des Beweisauftrags notwendig sind. Besondere Vorsicht ist bei besonderen Daten i.S. Art. 9 DSGVO einzuhalten:

Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.

Art. 9 DSGVO

Diese Frage ist dem EuGH für das Arbeitsrecht nach Art. 267 AEUV vorgelegt. Wie dieser entscheidet, ist unklar.

Den Umfang des Gutachtens bestimmt der Beweisbeschluss als Gutachterauftrag. Alles, was darin nicht gefragt ist, hat nicht erhoben zu werden. Dies gilt umso mehr, als dass obige Aspekte des Art. 9 DSGVO umfasst sein könnten. Die Datenminimierung steht dem insoweit ebenso entgegen wie das erheben solcher besonderen Daten.

Gutachten, die die Nachbarschaft ausforschen, können ebenso unzulässig sein und einen Berichtigungs-/Löschungsanspruch auslösen wie falsche Daten. Dies gilt aber auch für Daten, die das Gericht erheben und bewerten muss (Lebensumfeld der Kinder als reale, nicht psychologische Komponente).

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Gutachten sind maximal ein Jahr verwendbar

Die Fragestellung, wie lange man ein Gutachten verwenden kann, stellt sich sehr oft. Viele familienpsychologische Gutachten werden oft nach Jahren noch gegen die Eltern verwendet. Dies ist fachlich falsch. Ein Gutachten ist maximal ein Jahr verwendbar. Danach hat es nur noch die halbe oder noch geringere Aussagekraft.

Salzgeber/Bublath: Ein Jahr haltbar

In ihrem Artikel „Der familienrechtspsychologische Sachverständige im
Spannungsfeld zwischen Recht und Fachwissenschaft“ (NZFam 2022, 963ff.) führen Salzgeber und Bublath aus:

Trotz aller Bemühungen ein nachvollziehbares transparentes und wissenschaftlich begründetes schriftliches Gutachten zu erstellen, sollte die Haltung des Sachverständigen, auch die Erwartung des Gerichts und der anderen Verfahrensbeteiligten bezüglich des Kindeswohls sein, dass ein Gutachten keine längere Halbwertszeit als höchstens ein Jahr haben sollte.

Salzgeber/Bublath Der familienrechtspsychologische Sachverständige im
Spannungsfeld zwischen Recht und Fachwissenschaft“ (NZFam 2022, 963ff.

Halbwertszeit ist die Zeit, in der eine abzunehmende Größe, hier die Nutzung, Verwendbarkeit und Aussagekraft eines Gutachtens im dynamischen Familiensystem, auf die Hälfte reduziert wird. Das ohnehin schon sehr prognostische familienpsychologische Sachverständigengutachten hat nach einem Jahr der Entwicklung der Kinder, Eltern und Familiendynamik daher allenfalls noch 50% Aussagekraft. Eine hundertprozentige Aussagekraft liegt insoweit aber nie vor, da Psychologie keine exakte Wissenschaft ist. 1https://de.quora.com/Ist-die-Psychologie-eine-exakte-Wissenschaft

Damit liegt nach einem Jahr eine Aussagekraft vor, die zwingend unter 50% der Realität sein muss.

Fazit: Gutachten sind nur ein Jahr verwendbar

Gutachten sind damit maximal ein Jahr verwendbar. Danach bedarf es einer Nachbesserung oder zumindest rechtlich einer erheblichen Auseinandersetzung mit den Änderungen seitdem.

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Nachprüfbarkeit von Gutachten

Gutachten müssen transparent sein und für das Gericht nachvollziehbar. Die Nachprüfbarkeit von Gutachten (oder Prüffähigkeit) ist dabei ein wesentlicher Aspekt. Denn Gutachten diesen dem Gericht als Entscheidungsgrundlage, sie ersetzen nicht die Entscheidungsfindung des Gerichtes. Insoweit setze ich mich mit dem kritischen Aufsatz von Salzgeber und Bublath kritisch auseinander.

Gebot der Nachprüfbarkeit

Das Oberlandesgericht Schleswig, was die Mindestanforderungen an die Qualifikation Sachverständigengutachten angeht sehr strikt in der Auslegung, musste sich hiermit bereits in der Entscheidung vom 7.5.2020 – 13 UF 4/20 auseinandersetzen:

Das Gebot des wissenschaftlich fundierten Vorgehens, der Transparenz und der Nachvollziehbarkeit ist zu beachten.

OLG Schleswig, 7.5.2020 – 13 UF 4/20

Diese Auffassung ist vorzuziehen. Sie entspricht auch der Sach- und Rechtslage anderer Rechtsgebiete wie dem Baurecht:

Gutachten nur verwertbar, wenn begründet, verständlich und nachprüfbar

In die Haftung des Ingenieurs im Bauwesen ist hierzu überzeugend ausgeführt:

„… in Gutachten ist regelmäßig nur verwertbar, wenn es begründet ist. Die Begründung muß so klar und ausführlich sein, daß sie verständlich, nachprüfbar und in ihren wesentlichen Gedankengängen nachvollziehbar ist. Für ein Privatgutachten gelten hierbei im wesentlichen dieselben Kriterien wie für ein gerichtliches Gutachten (1). Die Begründung muß in erster Linie nachprüfbar sein (2). Dazu gehört ein systematischer Aufbau unter strikter Anwendung aller fachlichen Regeln (3) sowie die Angabe der Quellen und Erfahrungssätze, aus denen der Gutachter seine Erkenntnisse gewonnen hat (4). Erforderlich ist vor allem das Bemühen um eine unkomplizierte, verständliche Sprache. Nicht alles, was wissenschaftlich ist, muß deshalb auch unverständlich sein (5). Im Gegenteil: Je knapper und konzentrierter Sprache und Satzbau sind, desto klarer sind meist auch die zugrunde liegenden Gedankengänge.“ 1Bohl, Döbereiner und Keyserlingk, Die Haftung des Ingenieurs im Bauwesen, Rn. 195

Insbesondere der fachliche Laie muss prüfen und nachvollziehen können. Prüfen kann man nur, was auch begründet ist anhand wissenschaftlicher Literatur.

Wissenschaftliches Arbeiten

Schon Studenten aller Professionen lernen, was wissenschaftliches Arbeiten ist:

Wissenschaftliches Arbeiten bedeutet auch, den eigenen Weg zur Beantwortung der Forschungsfrage für den potentiellen Leser sowohl transparent als auch nachvollziehbar zu machen. Es muss deshalb offengelegt werden, auf welche Weise, das heißt mittels welcher Methoden und unter Zuhilfenahme welcher Quellen Wissen gewonnen wurde.

Bezieht man sich auf selbstständig geleistete Forschungsarbeit, gilt es also, das eigene Vorgehen zu begründen sowie nach Möglichkeit reproduzierbar zu machen (vgl. Kruse 2014: 23). Zieht man dagegen Forschungsmaterialien anderer für die eigene Argumentation zu Rate, beispielsweise Literatur, die man bei der Literaturrecherche gefunden hat, gelten strenge Zitationsregeln. Das Zitieren fremder Arbeiten ohne Kennzeichnung bedeutet, geistiges Eigentum zu stehlen, ist also ein Plagiat und hält dann auch keiner Plagiatsprüfung stand.

Doch nicht nur auf die richtige Zitierweise, auch auf die richtige Auswahl der Quellen kommt es an. Dabei ist es für die eigene Forschung natürlich wichtig, den bisherigen Forschungsstand zum Thema zu kennen. Sekundärliteratur muss also gewälzt werden, um bei der Beantwortung der eigenen Fragestellung zum Einsatz kommen zu können. Weil in Vorbereitung auf eine Abschlussarbeit meist aber deutlich mehr gelesen wird, als nachher tatsächlich brauchbar ist, muss man die Quellen in sorgsamer Quellenarbeit dann sorgfältig filtern. Nicht alles Wissen kann und darf schließlich Eingang in den Text finden (vgl. Theisen 2013: 46).“ 2Feidel, https://www.mentorium.de/wissenschaftliches-arbeiten/#wissenschaftliches-arbeiten-mit-guten-quellen, m.w.N.

Familienpsychologisches Gutachten ist eine wissenschaftliche Arbeit

Dabei muss ein familienpsychologisches Gutachten im obigen Sinne eine wissenschaftliche Arbeit sein:

Ein psychologisches Gutachten dokumentiert ein wissenschaftlich fundiertes Vorgehen und beantwortet eine von einer Auftraggeberin / einem Auftraggeber vorgegebene Fragestellung (oder mehrere Teilfragestellungen). Die Fragestellung betrifft bestimmte Aspekte des Erlebens und Verhaltens von einer Person oder mehreren Personen. Die Fragestellung muss im Rahmen des nachfolgend beschriebenen diagnostischen Prozesses beantwortet sein. Im Gutachten muss dieser Prozess und die Beantwortung der Fragestellung nachvollziehbar dargestellt werden. 3Amelang et. al., Psychologische Diagnostik und Intervention

Die im Rahmen der Begutachtung eingesetzten Methoden müssen so beschrieben werden, dass sie nach wissenschaftlich akzeptierten Gütekriterien beurteilt werden können. 4Qualitätsstandards für psychologische Gutachten 2017, im Folgenden kurz DGPS, Link https://www.dgps.de/fileadmin/user_upload/PDF/Empfehlungen/GA_Standards_DTK_10_Sep_2017_Final.pdf Die Entscheidungsfindung soll mit Hilfe eines solchen Gutachtens fundierter und nachvollziehbarer getroffen werden können. 5Salzgeber, Rn. 1432

Wie formal muss ein Gutachten sein?

Gleichwohl wehrt sich Salzgeber in seinem Aufsatz „Der familienrechtspsychologische Sachverständige im Spannungsfeld zwischen Recht und Fachwissenschaft“ 6NZFam 2022, 963 zusammen mit der Co-Autorin Bublath gegen ein zu formelles Vorgehen:

Diese damit einhergehende meist formale Aspekte der Begutachtung betreffende Ausdifferenzierung der schriftlichen Gutachten führt zu einer längeren zeitlichen Dauer der Begutachtungen und höheren Kosten. Es besteht die Besorgnis, dass die Qualität eines Gutachtens vor allem an Formalien gemessen wird und weniger an der Relevanz für das Kindeswohl. Der wesentliche Aspekt, dass ein Gutachten auf der Grundlage fachwissenschaftlicher Erkenntnisse dem
Kindeswohl dienen und zur Lösungsfindung beitragen, zudem keine belastende Situation für das Kind aufrechterhalten sollte, rückt damit in den Hintergrund.

Salzgeber/Bublath: Der familienrechtspsychologische Sachverständige im
Spannungsfeld zwischen Recht und Fachwissenschaft(NZFam 2022, 963)

Diese Auffassung ist richtig und gleichwohl aus rechtlichen Gründen abzulehnen. Zum einen ist die Frage, was dem Wohl des Kindes entspricht, eine Rechtsfrage, die nicht ex-ante durch einen Gutachter zu bewerten ist. Zudem sind die Formalien gerade kein Selbstzweck, sondern dienen der Nachvollziehbarkeit, Nachprüfbarkeit und Prüffähigkeit der Gutachten, stärken damit nicht zuletzt die Akzeptanz von Gutachten und damit die Qualität der Rechtsfindung.

Im Baurecht wäre es undenkbar, die Frage ob ein Mauerwerk tragfähig und dem Stand der Technik entsprechend mangelfrei erstellt wurde, ohne Benennung der DIN EN 1996: Eurocode 6 – Bemessung und Konstruktion von Mauerwerksbauten, zu bewerten. Ein Gutachten, das die Ausführung nicht an den anerkannten Regeln der Technik begründet, wäre unverwertbar. Hierüber entstünde im Baurecht gar keine Diskussion.

Warum aber soll etwas anderes in der Psychologie gelten, zumal hier eine weniger exakte Wissenschaft vorliegt als die letztlich rein physikalische Bauwirtschaft.

Gutachtensaufbau ist nicht gesetzlich definiert

Salzgeber/Bublath aaO

Natürlich haben Salzgeber und Bublath recht, dass das Gesetz ein Gutachten nicht definiert. Andererseits: Warum sollte man Selbstverständlichkeiten definieren? Eine Klage muss keine Paragraphen benennen. Gleichwohl muss ein Anspruch auf solche Zurückzuführen sein. Genau so ist es mit einem Gutachten. Natürlich muss ich nicht benennen wie ich zu meinem Ergebnis komme. Doch genau wie beim Paragraphen muss das Gericht sich dann eben fragen, ob die Folgerungen schlüssig sind – was mangels eigener Fachkunde nur gelingen kann, wenn nachvollziehbar argumentiert wird.

Mindestanforderungen geben vor, was in ein Gutachten muss

Entgegen Salzgebers Auffassung geben die Mindestanforderungen vor, wie ein Gutachten auszusehen hat. Ob man das nunmehr über §163 FamFG regelt, wie es das OLG Schleswig macht, oder indem man hierin dasjenige niedergelegt sieht, was als wissenschaftliche und damit transparente, nachvollziehbare Leistung verstanden wird, wie es die Mindestanforderungen oder Langhans fordern, kann dahingestellt bleiben, denn das Ergebnis ist dasselbe: Verbindlichkeit.

Salzgeber macht den Fehler, dass er aus sachverständiger Sicht argumentiert. Natürlich wird ein hervorragender Gutachter intern alles richtig machen und mit wissenschaftlicher Methodik vorgehen, wenn er entscheidungserhebliche Daten erhebt und hieran seine Schlüsse begründet. Doch ist nicht von diesem Idealfall auszugehen, noch vom Gegenteil eines schlechten Gutachters. Denn Dreh- und Angelpunkt muss die rechtliche Nachprüfbarkeit sein, die sich aus dem Gutachten selbst heraus lesen lassen muss und nicht einfach anzunehmen ist. Gegen Transparenz und Nachprüfbarkeit lässt sich zudem kein Argument finden. Die insoweit oft kritisierte pauschale Schelte der Diskussion als unsachlich ändert hieran nichts. 7z.B. Jörg Fichtner auf seiner Webseite http://joerg-fichtner.de/begutachtung/

Es geht um Nachprüfbarkeit als wesentlicher Aspekt der Wissenschaftlichkeit

Nachprüfbarkeit ist der Standard, den es umzusetzen gilt. Insoweit verwundert Salzgebers Argumentation, erkennt er selbst doch Wissenschaftlichkeit als Voraussetzung des Gutachtens an:

Das Gutachten sollte der wahren Sachlage objektiv entsprechen. Maßstab ist dabei nicht das persönliche Wissen (oder Nicht-Wissen) des Sachverständigen. Das Kriterium „nach bestem Wissen“ bezieht sich auf den in der Psychologie vorherrschenden neuesten Wissensstand.

Salzgeber/Bublath aaO

Warum dieser Aufsatz sich dann mit psychologischen Fragen auseinandersetzt, statt das einzig rechtlich relevante Kriterium der Nachprüfbarkeit (und Transparenz), erschließt sich mir nicht. Salzgeber hat hier eine Chance vertan, eine bessere Begutachtung durchzusetzen. Denn Begründungen, die Nachvollziehbar sind, und zwar nicht auf die Logik per se bezogen, sondern auf den Stand der Wissenschaft („lege arte“), würden der Begutachtung zu mehr Akzeptanz und damit zur Befriedung der Situation beitragen, ohne den faden Beigeschmack des „Verlorenhabens“ in sich zu tragen.

Gute, transparente Gutachten dienen der Akzeptanz derselben und Befrieden die Situation

Michael Langhans

Kein Sachverständiger verliert hier etwas, auch wenn bisweilen argumentiert wird man „müsse der Erfahrung des Gutachters Vertrauen schenken“, wenn er diese Erfahrung wissenschaftlich untermauert und konkret begründet und zitiert.

Nachprüfbare Gutachten dienen dem Kindeswohl

Nachprüfbare Gutachten würden dann auch dem Kindeswohl diesen, wie es Salzgeber an der heutigen formellen Sicht bemängelt. Dazu müssten sich die Gutachter von ihrem Hochsitz herabbegeben und eine Argumentation und Prüfbarkeit zulassen. Rechtlich, wissenschaftlich und ethisch bestehen hier keine Bedenken.

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Familienpsychologische Gutachten

Nachträgliche Beauftragung weiterer Gutachter

Die nachträgliche Beauftragung weiterer Gutachter führt nicht zu einer Verwertbarkeit eines Gutachtens. Das OLG Schleswig hat solch ein Vorgehen ausgeschlossen.

Keine nachträgliche Beauftragung weiterer Gutachter

Hierzu führt das Oberlandesgericht aus:

Jedenfalls führt die nachträgliche Beauftragung eines weiteren Sachverständigen, der nur teilweise an der bei Bestellung bereits abgeschlossen Begutachtung der Familienmitglieder teilgenommen hat, nicht zur Verwertbarkeit des Gutachtens eines nicht hinreichend qualifizierten Sachverständigen

OLG Schleswig vom 7.5.2020 – 13 UF 4/20

Das ist eine Selbstverständlichkeit: Ein Gutachter muss die gesamte Exploration selbst miterleben, um die Ergebnisse interpretieren zu können. Ansonsten interpretiert er ja nicht die Aussagen von Beteiligten, sondern seinen Kollegen/seine Kollegin.

Nachträglich ein Psychiater macht noch kein verwertbares Gutachten

Soweit das Amtsgericht nachträglich die Psychiaterin H. neben der Diplom-Sozialpädagogin zur Sachverständigen bestellt hat, führt auch dieses nicht zur Verwertbarkeit des Gutachtens. Es ist schon nicht ersichtlich, inwieweit die Psychiaterin H. die o. g. Mindestanforderungen an die Qualifikation von Sachverständigen im Sinne des § 163 I FamFG erfüllt.

OLG Schleswig aaO

Dabei liegen hier zwei Probleme vor: Im obigen Fall war das Gutachten von einem Pädagogen erstellt. Der Psychiater sollte also, weil diese in §163 I FamFG aufgeführt sind, nur dazu dienen, dem ganzen „Gehalt“ zu geben. Das misslang offenbar.

Psychiater sind nicht unbedingt geeignet i.S. §163 FamFG für familienpsychologische Gutachten

Michael Langhans in Anlehnung an das OLG Schleswig

Denn ein Psychiater ist eben auch nicht zwingend in der Lage, psychologische Fragestellungen zu beantworten und erfüllt die verbindlichen Mindestanforderungen nicht immer.

Was ich auch immer sage: Mangelnde Qualität des Gutachters führt zu mangelnder Qualität des Gutachtens. Hierzu stellt das OLG fest:

Die mangelnde Qualifikation der Sachverständigen spiegelt sich letztlich auch in der Qualität des Gutachtens wider. Hiermit hat sich das Amtsgericht nicht kritisch auseinandergesetzt.

OLG Schleswig aaO

Mindestanforderungen detailreich prüfen

Es ist daher wichtig, in die Details des Gutachtens und der Mindestanforderungen einzusteigen und lehrbuchartig, wie es das OLG Schleswig und ich in meinen Gutachtensrezensionen machen, die Voraussetzungen derselben zu prüfen.

Eine nachträgliche Beauftragung weiterer Gutachter führt daher in der Regel nicht zur Verwertbarkeit von Gutachten. Letztlich kommt es aber auf die inhaltliche Qualität an, die das Gericht (und die Anwälte) prüfen müssen, ggf. mit meiner Hilfe.

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Bindungstoleranz

Bindungstoleranz oder das negative Gegenteil Bindungsintoleranz ist ein wesentlicher Aspekt familienpsychologischer Fragestellungen. Er wird in den meisten Gutachten durchleuchtet und ist eine Frage der Erziehungseignung. Sie ist wesentliche Grundlage gerichtlicher Entscheidungen. 1Hauffe https://www.haufe.de/recht/deutsches-anwalt-office-premium/1-die-elterliche-sorge-5-bindungstoleranz_idesk_PI17574_HI10853181.html

Was ist Bindungstoleranz

Bindungstoleranz umfasst die Fragestellung, ob Eltern die Einsicht besitzen, dass die Beziehung zum anderen Elternteil für das Kind von wesentlicher emotionaler Bedeutung für das Kind ist. 2Salzgeber Rn. 1188 Deshalb ist es auch für das Wohl des Kindes wichtig, Kind und den Eltern Zeit zuzugestehen, um eine Bindung zu entwickeln. 3Salzgeber aaO

Daher muss die Erziehungsleistung des anderen Elternteils anerkannt und wertgeschätzt werden. 4Salzgeber aaO

Mit anderen Worten: Die Bindungstoleranz verdeutlicht das Verhalten der Eltern dem Kind gegenüber im Zusammenhang mit dem jeweils anderen Elternteil. Man muss Zeit gewähren, man muss den anderen Elternteil zulassen, dessen Einfluss zulassen und mehr. Wenn man dies nicht möchte, dann nennt man das Bindungsintoleranz. Salzgeber mag den Begriff der Bindungstoleranz nicht, er spricht von Beziehungstoleranz, wofür durchaus einige Aspekte sprechen (weil es ja um das familiäre Beziehungsgeflecht geht.

Bindungstoleranz oder eher Beziehungstoleranz

Josef Salzgeber, familienpsychologische Gutachten

Für eine gesunde Entwicklung benötigt ein Kind den Kontakt zu beiden Elternteilen. 5Praxis Schönbach http://praxis-schoenbach.de/bindungstoleranz-bindungsintoleranz/ Die Häufigkeit des Kontaktes alleine sagt hierüber nichts aus. 6Praxis Schönbach aaO

Folgen bei Bindungsintoleranz

Bindungsintoleranz kann zu Entfremdung führen. Diese hat zumeist erhebliche negative Folgen. Sie schränkt daher die Erziehungsfähigkeit ein.

Salzgeber meint, dass Väter, die die alleinige elterliche Sorge haben, eher bindungstolerant sind als Mütter. 7Salzgeber Rn. 1189 Dies dürfte aber fraglich sein und ist in jedem Fall einzeln zu prüfen. Dass eine Bindungstoleranz selbst gegen die Kontinuität zur Übertragung der Sorge oder des ABR führen kann, hat das OLG Frankfurt bereits zurecht entschieden. 8OLG Frankfurt 6 UF 233/20

Gleichwohl ist es alles eine Einzelfallfrage, die Gutachten hinterfragt wird. Diese Frage ist daher häufig an Tatsachenfeststellungen geknüpft, die das Gericht zu treffen hätte. 9aA Salzgeber Rn. 1192

Das Gericht muss Anknüpfungstatsachen prüfen

Zu prüfen durch das Gericht und notfalls per Beweis festzustellen wäre daher

  • wird persönlicher oder sonstiger Kontakt behindert, verkürzt, vereitelt
  • darf ein Kind über seinen anderen Elternteil sprechen (Bild im Kinderzimmer usw.) oder nicht, findet im Alltag also ein Verständnis von 2 Familien statt oder nicht
  • wird dabei Druck ausgeübt auf das Kind, den Namen zu ändern und Dritte Vater/Mutter zu nennen?
  • Erfolgt eine Ausforschung nach Umgang und wird der Umgang kritisiert
  • Wird das Kind vor die Wahl gestellt, nur einen Elternteil lieben zu dürfen, mit Konsequenzen („dann liebst Du mich nicht mehr“, „er oder ich“ bzw. „sie oder ich“ usw.)
  • Gibt es Hinweise auf Manipulationen
  • usw.

Salzgeber berichtet hier von vielen verschiedenen Aspekten, die ein Gutachter zu hinterfragen hat. 10Salzgeber aaO

Wie begegnet man Bindungsintoleranz?

Im wesentlichen wird diese durch die Trennungsverarbeitung beeinflusst. Wer die Bindungstoleranz herstellen will, muss sein eigenes Trennungserleben bearbeiten, notfalls therapeutisch. Aber natürlich müssen offene Konfliktfelder auch bearbeitet sein, zumal bei Gewaltvorwürfen oder gar Missbrauch das Wohl des Kindes sicherzustellen ist.

Wenn hier ein Elternteil hinterfragt, ob etwas schlimmes mit dem Kind passiert, ist dies in der Regel kein Hinweis auf fehlende Bindungstoleranz. 11Salzgeber Rn. 1192

Fazit

Bindungstoleranz ist eine psychologische Komponente, die auf Ermittlungen des Sachverhalts basiert. Viele Gerichte machen es sich einfach und überlassen die Ermittlung dem Sachverständigen. Das ist falsch. 12OLG München Familiensenate Augsburg, 30 UF 232/15

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Familienpsychologische Gutachten

Stellungnahmefrist Gutachten und Privatgutachter

Muss das Gericht eine angemessene Frist (Stellungnahmefrist) zum Gutachten setzen und insoweit auch die Einholung eines Privatgutachters ermöglichen? Damit hat sich der Bundesgerichtshof bereits auseinandergesetzt.

Muss das Gericht eine Stellungnahmefrist setzen?

Insbesondere bei schwierigen Sachfragen muss das Gericht eine angemessene Frist setzen, um sich mit dem Beweisergebnis auseinanderzusetzen. Dies bedingt auch die Möglichkeit, sich Hilfe von einem Privatgutachter zu holen.

Betrifft ein Sachverständigengutachten schwierige Sachfragen, ist den Parteien Gelegenheit zu geben, sich anderweitig sachverständig beraten zu lassen und zu dem Beweisergebnis Stellung zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2009 VI ZR 275/08, NJW 2009, 2604 Rn. 8; Urteil vom 31. Mai 1988 – VI ZR 261/87, NJW 1988, 2302; Beschluss vom 12. Januar 1982 – VI ZR 41/81, NJW 1982, 1335)

Welche Frist für die Mitteilung von Einwendungen gegen ein schriftliches Sachverständigengutachten angemessen ist, hängt daher auch davon ab, ob die Partei zur Prüfung des Gutachtens die Hilfe eines Privatgutachters in Anspruch nehmen muss (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – VII ZR 172/09, NJW 2011, 594 Rn. 17; Musielak/Voit/Huber, ZPO, 15. Aufl., § 411 Rn. 2, 7).

Bundesgerichtshof Urteil vom 12.04.2018, Az. V ZR 153/17

Wie lange muss eine angemessene Stellungnahmefrist sein?

Auch hierzu hat sich der Bundesgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung geäußert. Die damals gesetzte Frist von ca. 1 Monat war zu kurz, die Verlängerung um weitere 3 Monate hatte das Gericht abgelehnt. Dadurch ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, Art. 103 GG:

Der Anspruch einer Partei auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus
Art. 103 Abs. 1 GG wird auch dann verletzt, wenn eines ihrer Angriffs- oder Verteidigungsmittel deswegen unberücksichtigt bleibt, weil der Tatrichter es in offenkundig fehlerhafter Anwendung von Präklusionsnormen zu Unrecht zurückgewiesen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 – VIII ZR 97/15, GE 2016,
1207 Rn. 9 mwN). So liegt es hier

Bundesgerichtshof Urteil vom 12.04.2018, Az. V ZR 153/17

Das gilt selbstverständlich auch für andere Gründe der Nichtberücksichtigung, wie ich hier ausgeführt habe. Denn Grundsätzlich muss das Gericht alles zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Daher muss es auch die Möglichkeit einer privatgutachterlichen Stellungnahme ermöglichen und entsprechende Fristen ausreichend setzen.

Muss das Gericht eine Frist zur Stellungnahme zu einem familienpsychologischen Gutachten setzen?

Ja, weil diese Gutachten umfangreich sind und nicht durch Anwalt und Gericht in eigener Sachkunde geprüft werden.

Muss das Gericht ein Privatgutachten oder eine kritische Gutachtensrezension zulassen?

Ja, es muss dies zulassen, weil hier schwierige Fragen zu beantworten sind.

Wie lange muss eine Frist zur Stellungnahme sein?

Das kann man so genau nicht sagen. Es kommt auf den Umfang des Gutachtens an. Die regelmäßig gesetzten 2 Wochen dürften nicht ausreichend sein.

Wie lange dauert eine kritische Gutachtensrezension?

Sie dauert in der Regel 14 Tage.

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